Interview mit Rapper tiduz.

Der Münchner Rapper tiduz. veröffentlicht heute seine EP „Milch & Honig“. Wir haben das als Anlass genommen und mit ihm ein bisschen geschnackt. Was dabei rausgekommen ist, könnt ihr jetzt hier lesen:

Ich habe gelesen, dass du ursprünglich aus dem Metal-Genre kommst. Wie und wann ist es denn dazu gekommen, dass du dich dem Rap zugewandt hast?

Ich bin mehr oder minder einfach reingerutscht. Viele Entscheidungen in meinem Leben kommen daher, dass ich irgendwo stehe und denke „Ja, gut…dann mache ich das jetzt“. Ich bin 2013 bei meinen Bands ausgestiegen, weil ich zum Studieren weggezogen bin. Und da gab’s halt keine Metal Szene oder sonst was. Ich wollte aber weiter Musik machen und hatte so langsam das Interesse an Rap gefunden. Dann war es einfach so, dass ich abends viel Zeit hatte und mir gedacht habe „Was mache ich? Ich will Mukke machen, ich finde Rap geil – fange ich doch einfach mal an Raptexte zu schreiben“. Das war dann quasi der Start.

Und hattest du dann auch bestimmte Rapper:innen, die dich inspiriert haben? Sei es durch Texte, Schreibstil oder einfach ihre Technik?

Ich weiß glücklicherweise nicht mehr, wie meine ersten Texte aussahen und ob ich das schon nach irgendeinem Muster gemacht habe. Ich weiß aber, dass sie grauenvoll waren. Als sich herauskristallisiert hat, dass ich das wirklich ein bisschen ernster machen will, fand ich Megaloh großartig, vor allem als das „Regenmacher“ Album rauskam. Absolut fantastisch! Audio88 & Yassin finde ich schon immer sehr pointiert. Von 3Plusss kam zu der Zeit das „Gottkomplex“ Album raus, was ich auch nur gut fand. Goldroger ist auch schon immer eine Inspirationsquelle gewesen. Es variiert auf jeden Fall, aber zu der Zeit, als ich ernsthaft angefangen habe zu rappen, waren es diese Künstler.

Wie sieht das mit deinem eigenen Hörverhalten bzw. Musikkonsum aus, bist du jemand, der sich zeitweise immer nur einem bestimmten Genre widmet? Oder hörst du je nach Stimmung etwas anderes?

Voll die gute Frage! Ich habe so’n bisschen das Gefühl, dass man momentan ganz gerne wieder zu alt bekannten Sachen zurückgeht. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen überspitzt formuliert, aber es ist irgendwie der Anker in einer großen Ungewissen ist. Also ich suche schon ganz oft nach neuer Musik, die ich mag. Ich poste ja auch auf Instagram eigentlich jeden Tag irgendeinen Song und versuche das schon sehr breit zu halten. Aber die großen Konstanten sind bei mir auf jeden Fall Rap und Metal. Jetzt gerade habe ich wieder so eine starke Phase, in der ich sehr viel Metal von früher höre. Da weiß ich, dass ich es mag und weiß, was ich bekomme.

Die Frage kommt übrigens, weil ich mich im März letzten Jahres mit Goldroger unterhalten habe und uns da aufgefallen ist, dass man sich in seiner Jugend einem Genre gewissermaßen verschrieben hat und dann nichts anderes mehr gehört hat. Und das finde ich so faszinierend, wie sich das im Laufe der Jahre dann einfach komplett geändert hat.

Ja, das stimmt voll und das finde ich auch absolut großartig, das gab’s bei uns damals auch. Das war ja auch eine Zeit, in der du Leute anhand ihres Kleidungsstils ganz klar zuordnen konntest – das ist jetzt ja auch komplett verwässert und das finde ich auch gut so. Aber klar, mit 15 oder 16 Jahren habe ich nur Metal gehört und war auch wirklich anti gegenüber allem, was nichts damit zu tun hatte. Ich war früher übertriebener Iron Maiden Fan und alles was nicht so in die Heavy Metal und Zehn-Minuten-Songs Sparte gepasst hat, war für mich dann schon im Vorhinein kacke und schlechte Musik. Ich habe mich dann über Bands wie Linkin Park lustig gemacht, die ja einfach monumentale Musik gemacht haben. Ich fand die dann aber schlecht, weil die pro Song ihre fünf, sechs Akkorde gespielt haben und nicht noch fünf Soli mit eingebracht haben – komplett absurd. (lacht)

Eigentlich ziemlich frech, als Kind bzw. Jugendlicher sich hinstellt und einfach über Musik lustig macht, obwohl man so gar keine Ahnung hat. (lacht)

Das geht einfach gar nicht klar. Ist aber auch total spannend. Bei dem Kleidungsstil finde ich das auch irgendwie gut, dass es nicht mehr so klar zuzuordnen ist. Ich fange witzigerweise jetzt auch wieder an Bandmerch zu tragen. Ich habe mir gerade einen Iron Maiden Hoodie geholt, einfach weil ich den geil finde. Als ich mir den aber angezogen habe, dachte ich mir, dass ich mir selbst nicht glauben würde diese Musik zu hören, würde ich mich auf der Straße sehen. Ich würde eher davon ausgehen, dass ich den bei H&M gekauft habe und einfach nur so tue, weil es super edgy oder so ist (lacht). Aber mittlerweile ist alles so offen und das tut den Leuten nur gut, weil Musik einfach das Beste ist.

Und wie bist du denn generell so zur Musik gekommen? 

Ich habe irgendwann angefangen Gitarre zu spielen, weil meine Mutter das zu der Zeit gelernt hat. Das fand ich dann schön und wollte das auch. Sie hat mir dann eine relativ billige Klampfe besorgt und dann habe ich angefangen zu spielen. Irgendwann wollte ich dann natürlich auch in Bands spielen was schnell funktioniert hat, weil es bei uns in Hamm eine sehr lebendige Musikszene gab. Zugegebenermaßen haben wir das relativ lang für uns gemacht und waren vollkommen fine damit, einfach im Proberaum abzuhängen und ein paar Lieder zu schreiben. Irgendwann macht das dann Klick – das ist auch gar nicht an irgendein Ereignis gekoppelt – und dann will man, dass es größer wird. Das kam in unseren Bands aber relativ spät – zu dem Zeitpunkt bin ich dann quasi weggezogen und wir haben uns aufgelöst. Im Rap hat das dann aber auch erst wieder ein bisschen gedauert bis dieser Klick-Moment kam.

Du wohnst in München – das ist ja eher nicht so sehr bekannt als Hip Hop Hochburg – korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege. Wie kommt es, dass du dorthin gezogen bist?

Das war berufsbedingt. Ich habe in der Nähe von München einen Job gefunden und bin dann runter gezogen. Relativ unromantisch. (lacht)

Wie sieht denn die Deutschrap Szene dort aus?

MitVergnuegen hatte letztens einen ganz guten Post dazu, was für Rapper es hier gibt. Also die großen Namen sind natürlich Fatoni oder Moop Mama. Aber es gibt ja auch Leute wie FELLY, die Drunken Masters oder LUX und Cap Kendricks – also man hat schon so ein paar Leute. Was ich an München schätze ist, dass es überschaubar ist. Es gibt halt immer ein paar Jams, wo man auftreten kann und ein paar Konzertorte über die man einen leichten Überblick hat. Glücklicherweise habe ich da auch Manoo kennengelernt, mit dem ich seit zwei EPs zusammenarbeite und auch vorhabe das weiterzuführen.

Ja und wahrscheinlich trifft man sich dann auch immer vor Ort, wenn es nicht immer mehrere Locations sind, wo was los ist… wenn nicht gerade Corona ist.

Wenn nicht gerade Corona ist, ja! Ich finde das aber auch gut, dass es so klein und überschaubar ist, weil es einen nicht so überfordert. Als ich in Berlin gewohnt habe, war das auf jeden Fall so. Da rappt an jeder Ecke irgendjemand, der auch noch krass ist und seinen Platz beanspruchen will. Wenn so viele Leute auf einem Platz sind, die „Hier, Hier, Hier, Ich, Ich, Ich“ schreien, dann neige ich aber dazu mich zurückzuziehen. Ich überlasse denen dann das Feld, weil ich da keinen Bock drauf habe. Hier in München ist es deutlich leichter sich auf die Bühne zu trauen, weil es gar nicht so viele Leute gibt, die das machen.

Aufgewachsen bist du in der westfälischen Provinz. In deinem aktuellen Track „Liquido auf dem Schützenfest“ beschreibst du deine dortige Jugend als Bermudadreieck zwischen Schützenfest, Vorgarten und Einkaufsstraße – also alles relativ trostlos. Hast du rückblickend Ratschläge für Jugendlichen, die in solch grauen Städten aufwachsen? Wie kann man sich die Umstände „erträglich“ machen? Bzw. besser damit umgehen kann?

Ich finde es tatsächlich gar nicht unerträglich, wie kam der Song denn für dich rüber?

Also ich habe es so interpretiert, dass es als Jugendlicher zum einen schwer ist der Stadt zu entfliehen und generell etwas Neues auszuprobieren, weil man dafür immer argwöhnisch angeschaut wird. Die Menschen sind einfach nicht offen für Neues und es passiert immer das Selbe. 

Ja okay, dann verstehe ich die Frage besser. Ich weiß jetzt nicht, ob ich in dem Sinne einen Tipp geben kann. Also klar, du machst irgendwie immer das Selbe und alles läuft gleich ab, aber wie haben es Rin und Bausa aus Bietigheim-Bissingen in die oberen Ligen der Musiklandschaft geschafft? Wenn alle das Selbe machen, ist es in gewisser Weise auch leicht rauszustechen. Dann bist du eben der Rapper auf der Konzertveranstaltung. Wenn man auch wieder auftreten kann, ist man im Ruhrgebiet was Auftritte angeht sehr gut aufgehoben, weil es so viele Städte auf engem Raum gibt. Ich würde auch nicht unbedingt nach Berlin oder so ziehen. Hamm ist zum Beispiel eine Stadt, in der man sich viele Sachen noch leisten kann. Also, einfach machen und was aufbauen, das geht schon.

Lass uns mal mehr über deine kommende EP sprechen: Was deine Musik angeht, merkt man schon, dass du eine klare politische Haltung hast. Das hört man ja auch insbesondere auf dem Titelsong „Milch & Honig“. Hast du dir das vorab als Ziel gesetzt eine bestimmte Thematik mit deiner EP zu verfolgen? Oder sind es einfach Umstände, die das Ganze gerade thematisch gefördert bzw. angekurbelt haben?

Ich habe es mir vorher nicht zur Aufgabe gemacht politische Musik zu machen – auch nicht als ich angefangen habe Rapsongs zu schreiben. Das ist halt einfach ein Prozess. Man schreibt – das ist zumindest bei mir so der Fall – über das, was einen beschäftigt und das war dann halt zu der jeweiligen Zeit etwas Politisches. Der Song „Milch & Honig“ ist ja auch über eine gewisse Zeit entstanden. Den habe ich nicht an einem Tag geschrieben. Viele Zeilen in dem Song beziehen sich ja auf tatsächliche Schlagzeilen. Man liest viel, wird wütender und kanalisiert das dann in einem Song. Das ist aber ein Prozess – Ich weiß nicht, warst du schon immer politisch interessiert oder hat sich das entwickelt?

Das hat sich definitiv im Laufe der Jahre erst entwickelt. 

War bei mir auch so, meine Jugend war total unpolitisch. Mich hat nichts interessiert, ich habe nichts mitbekommen. Es gab nichts, wie zum Beispiel Fridays for Future, keine großen Protestbewegungen. Es ist alles an mir vorbeigegangen. Deshalb hat sich diese Politisierung bei mir eh erst in den letzten Jahren entwickelt.

Findest du es denn generell wichtig, dass man als Künstler:in eine politische Stellung einnimmt und diese quasi laut vertritt?

Wenn du’s tust, dann ist die Chance auf jeden Fall höher, dass ich dich mag und deine Musik höre. (lacht) Aber man muss das nicht unbedingt in seine Musik einfließen lassen, finde ich. Musik kann auch gut und gerne einfach nur ablenken. Aber ich muss schon sagen – es ist keine Zeit mehr, in der man unpolitisch sein kann oder sagen sollte, dass einen etwas nicht interessiert. Die Zeit ist wirklich vorbei. Dementsprechend sollte man sich auch weiterbilden, wenn man meint, dass man von etwas keine Ahnung hat. Zu sagen, dass es einen nichts angeht, ist privilegierter Scheiß.

Die EP ist während der Corona Zeit entstanden. Hat sich diese seltsame Zeit in irgendeiner Form auf dein kreatives Schaffen ausgewirkt? Bist du vielleicht anders als sonst vorgegangen?

Also auf die Songs, die jetzt rauskommen hat sich das nicht direkt ausgewirkt. Aktuell bin ich aber total unkreativ. Es zieht gerade Alles aus mir raus. Ich bin emotional mit dem Veröffentlichen von Musik komplett ausgelastet und kriege es nicht hin neben meinem Job noch kreativ zu arbeiten – das ist super frustrierend. Ich bin froh, wenn ich die EP veröffentlicht habe und – überspitzt formuliert – zu mir selbst finden kann (lacht) und irgendwie Kreativität schöpfen kann aus irgendwas. Momentan bin ich einfach sehr ausgelaugt.

Bei mir hat das auch ganz stark noch mit dem Wetter zu tun. Als die Sonne geschienen hat, war alles wunderbar, aber sobald es draußen dunkel, kalt und eklig ist, ist auch einfach alles doof. So November und Dezember war alles schlimm. Ich arbeite auch in der Musikbranche und naja, ist gerade irgendwie doof. 

Tut mir erstmal voll Leid, das ist gerade für die Kulturbranche echt die beschissenste Zeit. Ich habe das Glück, dass ich in einem systemrelevanten Beruf arbeite, dementsprechend kann ich mich da kaum beklagen – also es ist alles auf einem sehr hohen Niveau und zum Glück nichts Existenzielles. Was so den Winter angeht, war ich echt super froh, dass ich Frühschichten gearbeitet habe. Da habe ich immer noch etwas vom Tag mitbekommen. Ich bin dann um 12 Uhr fertig und gehe nicht im Dunkeln raus und komme dann auch wieder heim. Das hat mir auch wirklich durch den Winter geholfen. Es ist mittlerweile für viele Leute zehrend und bei mir wirkt es sich so aus, dass ich kaum noch kreativ bin. Das ist kein gutes Gefühl. Mein Kumpel, mit dem ich damals in Bands gespielt hat, hat das mal ganz gut beschrieben: Wenn du nicht kreativ bist, ist es so, als würde dir deine Superkraft weggenommen werden. Das trifft es eigentlich sehr gut. An guten Tagen sprudelt es komplett aus dir raus und an anderen kommt gar nichts und wenn was kommt, ist es ein Haus-Maus-Reim. Den Vergleich fand ich sehr stimmig.

Was war dein Deutschrap Highlight 2021 bisher?

In diesem Jahr? Ahhh… ich dachte mein bester Deutschrap Moment ever, da habe ich nämlich letztens erst noch drüber nachgedacht.

Na dann machen wir das so. (lacht)

Okay, oder ich kann ja beides sagen. Also mein Deutschrap Moment ever. Ich habe mich letztens mit LUX getroffen und da haben wir über die Tapefabrik geredet – in meinen Augen das absolut relevanteste Festival Deutschlands. 2019 als Witten Untouchable auf der Mainstage gespielt haben und dann Flipstar rauskam, um mit Lakmann zu performen. Das war der Moment, an dem ich dachte, dass ich Hip Hop verstanden habe. Weil Lakmann wirklich einer der absolut Großen ist. Der ist Rap durch und durch. Viel mehr Rap in Deutschland geht gar nicht und dann kam Flipstar und hat so unfassbar gut gerappt, dass ich wirklich mit offenem Mund dastand. Der hatte so eine Präsenz, dass selbst Lakmann nicht dagegen ankam. Ich fand das unfassbar beeindruckend. Das war mein Deutschrap Moment ever. Psassa ist im Moment mein Deutschrap Highlight, das ist ein ganz unbekannter Typ aus Bremen, der einfach unfassbar talentiert ist. Den habe ich Ende 2020 für mich entdeckt – da war ich wirklich hin und weg. Ich hoffe auch, dass Yrrre sein neues Album droppt. Ich konnte das so ganz sporadisch mitverfolgen und der Typ sticht einfach raus. Der spricht einen emotional an und dann ist Musik am Schönsten. Da bin ich super gespannt drauf. Und was ist dein Highlight?

Uff. Also dieses Jahr will ich mich noch nicht festlegen, aber letztes Jahr definitiv Goldroger. Der hat mich echt durch den ganzen Corona-Wahnsinn gebracht.

Bei Goldroger finde ich auch die Visuals so krass. Das ist so cool, der hat so gute Ideen. Auch die EP von Luvre47 & Bangs fand ich übertrieben gut. Absolut fantastisch. Aber Goldroger ey, der steht sowieso über allem und auch Dienst & Schulter grundsätzlich. Aber kennst du das auch, Ahzumjot hat das letztens auch getweetet, dass Deutschrap anhören irgendwie eine Art Arbeit geworden ist und das Musik komplett an Wert verloren hat. Man hat das Gefühl, man will up to date bleiben und hört deshalb Sachen nicht mehr so lange. Man muss sich komplett rausnehmen können, um zu sagen, dass man ein Album jetzt auch mal zwei oder drei Wochen hört. Das hatte ich die letzten Male dann auch eher bei anderen Genres und nicht bei Rap. Du musst jetzt gerade auch einfach ein außergewöhnliches Level haben, um durch die Stimmung des „Wir haben alle kein Bock mehr“ durchzukommen und Leute zu begeistern. Es ist gerade einfach schwer eine Verbindung zu neuer Musik aufzubauen, weil man sie nicht live spielen/erleben kann.

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Bock auf die EP bekommen? Hier unten findet ihr den Spotify Stream und das aktuelle Video zu „Liquido auf dem Schützenfest“.

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