Interview: Nepumuk zum neuen Album „Das Chaos ist in Ordnung“

Nepumuk veröffentlichte diese Woche sein neues Album „Das Chaos ist in Ordnung“ über das Berliner Label Ear-Sight. Die zwölf Rap-Tracks auf der Platte sind von Nepumuk aka Knowsum selbstproduziert. Die Beats jazzig, funkig und detailverliebt, die Texte wortgewandt und humoristisch, und die Aussagen dahinter kritisch und aufweckend. Wir sprachen mit ihm im Interview über seine Einflüsse, seinen aktuellen Wohnort Offenbach, die Entstehung vom Album und darüber, ob das Chaos wirklich in Ordnung ist. 

Du bist schon seit über zehn Jahren musikalisch aktiv und gehörst zu den Artists die super viel Output haben. Es ist bereits dein drittes Album dieses Jahr – nach Metamusik mit Retrogott und Dreamcruise als Knowsum mit Wun Two. Wie machst du das?

Ich setze meine Prioritäten einfach so, dass ich viel Musik machen kann. Das ist schon mein großer Lebensinhalt, meine Leidenschaft. Aber die beiden Alben waren ja noch mit zwei anderen Leuten, da teilt man sich den Spaß. Aber ja, ich bin sehr produktiv und es war Corona und sonst wenig los. Ich hatte keine Auftritte und noch mehr Zeit, um Musik zu machen.

Du studierst auch noch nebenbei Freie Kunst an der HFG in Offenbach?

Ja, die Betonung liegt auf „nebenbei“ (lacht). Musik ist schon das Hauptding. Das Studium macht Spaß, ich habe da viele nette Leute kennengelernt, aber ich mache das echt nebenbei.

Vielleicht kurz zu Offenbach, eine spannende Stadt, die aber auch sehr kontrovers wahrgenommen wird. Zum einen als sozialer Brennpunkt und zum anderen als vielfältiger, kultureller Melting Pot. Wie ist denn dein Verhältnis zur Stadt und wie fühlst du dich da?

Auch wenn ich jetzt vielleicht schon etwas zu lange hier bin, mag ich es sehr gerne. Es fühlt sich ein bisschen an wie Urlaub zu Hause, weil hier so viele verschiedene Nationen zusammenkommen. Und das ist ein cooler Vibe in der Stadt, vor allem im Sommer. Ich liebe auch kulturelle Mischungen. Und das erlebe ich hier zum ersten Mal, in Mainz gab es das weniger. Aber die soziale Schere ist in Offenbach auf jeden Fall geöffnet. Das merkt man auch.

Gibt es denn in Offenbach direkt auch eine musikalische Szene, in der du dich bewegst?

Gibt es bestimmt, aber eher in die Trap- oder Gangster-Rap-Richtung. Und es gibt natürlich viele coole Musiker und Musikerinnen an der HFG. Ich bin aber eher weniger der Typ, der viel mit Leuten zusammenarbeitet. Ich will dann oft genau mein Ding machen. Oder arbeite eher mit Kumpels und alten Freunden. Da fühle ich mich über die Musik mehr verbunden, als über den Standort.

Dein Vater ist auch Musiker, Bassist, und du sagst, du bist über ihn, bzw deine Eltern zum Hip Hop gekommen. Macht ihr denn auch Musik zusammen? Oder spielt dein Vater dir auch mal was ein?

Ja, er hat mir auch schon Basslines eingespielt. Jetzt gerade als ich da war, haben wir auch zusammen gejammt. Und wir schicken uns gerne Tracks hin und her. Also wir beeinflussen uns schon auch gegenseitig.

Gibt es denn sonst Artists und Menschen, die dich in deiner Musik stark beeinflusst haben?

Das meiste kommt schon einfach aus dem Leben, aber die Leute mit denen ich zusammenarbeite, haben mich auf jeden Fall auch beeinflusst. Da habe ich viel gelernt. Vom Retrogott zum Beispiel oder Wun Two, Hubert Daviz und Morlock Dilemma, da gibt es einige. Und die Sichtexot-Leute natürlich auch.

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Lass uns mal zum Album kommen. Das Chaos ist in Ordnung. Die Beats kommen alle von dir und es gibt kein Feature. War das so geplant oder Zufall?

Das hat sich so ergeben. Vielleicht hatte ich auch unterbewusst den Hintergedanken, mal ein Ding ganz alleine zu machen. Das gab es auch schon, nur waren immer ein oder zwei Features dabei. Da die Platte jetzt nicht so lang ist, hat es das hier gar nicht gebraucht. Für ein richtiges Album würde ich auf jeden Fall wieder Kumpels dazu holen.

Du hast vorhin schon kurz erwähnt, dass du wegen der Corona-Situation mehr Zeit zum Musikmachen hattest. Hatte die aktuelle Lage sonst Auswirkungen auf deine Arbeitsweise?

Es hatte schon Einfluss, weil ich weniger unterwegs war und generell weniger Menschen gesehen habe.  Dann hat man natürlich weniger Inspirationen, weil viele Gespräche wegfallen. Ich weiß gar nicht, ob man das raus hört bei dem Album. Vielleicht. Wäre ja auch komisch, wenn mich das gar nicht beeinflussen würde, diese Pandemie. Aber eher unterbewusst.

Gibt es eine Story zum Titel „Das Chaos ist in Ordnung“?

Ich fand die Aussage einfach gut. Das klingt wie ein cooles Buch, das ich geschrieben hätte, wenn ich Autor wäre und nicht Musiker. Irgendwie fand ich das lässig. Und für ein Feature auf Eloquents letztem Album hatte ich diese Zeile gerappt „Das Chaos ist in Ordnung“, die hat es dann nicht auf den Track geschafft. Als ich mir das Demo später nochmal angehört habe, fand ich die Zeile aber gut. Also hat der Beat von Hulk Hodn und Eloquents Part mich eigentlich auch zu dem Titel gebracht.

Ich finde es ist inhaltlich auf jeden Fall ein politisches Album, weil es sich klar positioniert, Missstände aufzeigt und kritisiert, wenn auch teils humoristisch verpackt. Würdest du mir da zustimmen?

Auf jeden Fall. Ich finde es wichtig, dass man seine Reichweite nutzt, um Sachen anzusprechen, die vielleicht nicht so cool sind. Aber das ist ja nur meine Meinung. Ich will immer dazu sagen, dass ich da keine dogmatischen Wahrheiten von mir gebe. Deswegen finde ich den Humor auch wichtig, den du gerade angesprochen hast. Das ist nicht in Stein gemeißelt, sondern soll zum Selbstdenken anregen.

Trotz viel Kritik höre ich relativ wenig Wut raus. Wie man es vielleicht sonst oft von politischen Alben kennt. Hast du diese Wut nicht? Oder hast du einfach einen anderen Umgang damit?

Ich glaube das ist meine Art damit umzugehen, mit dem Weltschmerz. Mit Humor. Viel mehr, als seine Gedanken zu teilen, kann man eigentlich nicht machen. Oder? Klar, man könnte Aktivist werden. Aber dafür bin ich zu faul und zu gerne zu Hause (lacht). Deswegen mache ich es so, deswegen auch keine Wut. Wut hätte ich eher, wenn ich gegen etwas ankämpfen würde und das Gefühl hätte, dass das nicht reicht.

Stehen denn hinter einzelnen Tracks konkrete Situationen oder Ereignisse, die dich inspiriert haben? Oder ist das eher die allgemeine gesellschaftliche Situation und deine Empfindungen dazu, die dann zu Songs führen?

Sowohl als auch. Zum Beispiel diese Dieter Nuhr-Geschichte, als er sich über das Buch aufgeregt hat, in dem weißen Menschen Rassismus erklärt wird. Sowas inspiriert mich schon. Das wird dann aufgedröselt in einer Zeile.

Es geht inhaltlich auch viel um patriarchale Strukturen, viel um Männerrollen. Und das teilweise in Bezug auf die Mainstream und Deutschrap Szene. Ist das etwas, dass dich ärgert?

Ja, das ärgert mich schon, denn die beeinflussen ja Leute, erreichen viele Teenies und verbreiten oft Inhalte, die nicht cool sind. Da ich auch Rap mache und wir uns dieses Musik-Genre quasi teilen, kann man auch mal was dagegen sagen, finde ich. Ob das etwas bringt, weiß ich nicht. Und wegen der Männersache – ich bin halt ein Mann. Deshalb beschäftige ich mich eben viel damit, wie man ein cooler Mann ist. Und wie man diese Machtstrukturen aufhalten und verändern kann.

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Der Track Ignorantgruppenbildung ist mir direkt aufgefallen. Da steckt inhaltlich sehr viel zu sehr aktuellen Problematiken drin. Trotzdem war ich irgendwie überrascht, dass es die erste Single wurde.

Das war nicht meine Idee, sondern die von Ear-Sight. Genau deswegen. Weil der Track die aktuellen Entwicklungen gut umfasst. Die Corona-Zeit, mit den Querdenkern und die ganze Scheiße, die so passiert ist. Ich finde den Track fast zu politisch. Cool fürs Album, aber auch ein bisschen moralistisch. Zu sehr mit dem Zeigefinger – das passiert mir manchmal.

Hast du denn einen Lieblingstrack auf dem Album? Oder einen, den du besonders wichtig findest?

Den letzten Track mag ich sehr gerne. Der hat etwas Feierliches und beschreibt gleichzeitig, dass das Chaos nicht in Ordnung ist. Und das sich etwas tun muss. Diesen Kontrast finde ich cool und das Sample ist von einer der teuersten Platten der Welt.

Zum Abschluss: Was steht dieses Jahr noch an?

Es kommt noch ein Knowsum Instrumental-Album über Vinyl Digital. Sample basiert, da habe ich das Rad nicht neu erfunden, aber das wird ein schönes Release. Und sonst arbeite ich noch an einem ganz anderen Projekt, das wird eher experimenteller, aber mehr kann ich dazu gerade noch nicht sagen.

Wir sind begeistert vom Album! Hört hier unten rein, schaut euch das „Beats on Road“ Video mit den Tracks vom Album an oder am besten kauft euch direkt die 10inch Vinyl hier.

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