Swiss: „Meine Texte sollen einen bewussten Minusintellektblocker haben“

Swiss releast am 1. April das zweite Album mit seiner Band Die Andern names „Missglückte Welt“. Er nennt seine Musik nach langer Findungs-Phase mittlerweile Punk-Rap. Er erzählt uns unter anderem, wie es dazu kam, was er an der deutschen Rap-Szene auszusetzen hat, was an Live-Musik so wichtig ist und wie die Leute auf seine Inhalte reagieren.

 

Wie würdest du das neue Album beschreiben?
Hmm (überlegt)… Auf jeden Fall sehr laut und sehr wütend. Ich würde sagen, es bringt das Crossover-Ding in Deutschland ein bisschen auf eine andere Ebene.

Crossover impliziert einen gewissen HipHop-Anteil?
Naja auf jeden. Ich meine, es ist an vielen Stellen gerappt. Ich hasse es, dass es in Deutschland immer eine Schublade geben muss für alles, weißte was ich meine? In den USA fragt auch keiner, ob Limpf Bizkit Rap oder Rock oder Nu Metal oder was auch immer ist. Geil ist geil. Kacke ist kacke.

Und den Stil deiner alten Sachen, den findest du grade einfach nicht geil?
Naja, mein Hauptproblem ist das Live-Ding. Ich finde Rap-Shows oft richtig kacke. Da kommt null rüber, was man auf Platte spürt. Das hat mich genervt. Komm mal zu unseren Konzerten, das ist eine ganz andere Energie als bei Rap. Das hab ich immer gesucht.
So ein DJ, ein Back-Up und dann dieses lahme Rumgehampel, auch bei den Fans. Rap-Fans stehen da mit einer Hand oben und gehen dann nach einer Stunde wieder nach Hause. Meistens zumindest, gibt natürlich Ausnahmen.

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Und die wären, neben Busta Rhymes, den du mal erwähnt hattest?
Naja, K.I.Z., Casper… Aber ob das noch Rap ist (lacht). Da fragt aber auch keiner…

Casper hat mal gesagt, was er macht, sei HipHop, weil die Machart die Selbe geblieben ist. Er bekommt einen Beat und rappt/singt dann darüber.
Achso, nee, nach dieser Definition sind wir kein HipHop, kein Rap. Bei uns läuft das schon anders. Ab und zu komme ich mit einer Hook an, dann bauen wir den Beat drumherum, ab und zu jammt die Band und ich schreibe darauf. Dann ändern wir halt Sachen, bauen um oder aus, gibt viele Wege. Aber ich bin immer von Anfang an in die Musik involviert. Da kommt keiner mit einer fertigen Sache, eher „Ey, ich hab ein Riff gedaddelt gesterm, wie findet ihr?“.
Wir vereinen verschiedene Elemente. Die Punker sagen vielleicht, es ist ihnen zu rappig, die Rapper sagen, es ist ihnen zu punkig. Alles was zählt ist aber, dass es viele Leute gibt, die genau auf diesen Mix gut können. Weil er nach vorne geht, Live und auf Platte!

Musik sollte also nach vorne gehen um gut zu sein?
Ja, das ist das Swiss-Kriterium für gute Musik (lacht). Quatsch, nein aber wir sind halt sehr roh. Diese Rohheit hat mir auf Beats oft gefehlt.

Deine alten Sachen sind zu unroh?
Zum Teil schon. Ich hab das Gefühl, dass ich jetzt erst richtig gefordert werde, also besser besser schreibe, durch die Musik. Ich habe das Gefühl, dass ich mich mehr entfalten kann, kreativer sein kann. Und ich muss mich nicht mehr mit irgendwelchen Produzenten rumstreiten, ob sie in der Hook noch eine Synthiefläche einspielen können, damit sie fetter wird.

Schreibst du mehr durch die neu gewonnene Freiheit?
Das hat sich nicht geändert. Ich schreibe immer. Seit ich denken kann.

Und doch „nur“ 13 Tracks auf Missglückte Welt?
Reicht doch. Auch so ein Rap-Ding: 24 Songs, Part, Hook, Part, Hook und Tschüss. Wir geben uns schon sehr viel Mühe mit jedem Song, versuchen immer frisch zu sein und zu überraschen. Auf dem Wixxxtape waren es nur 36, weil das ein ganz anderer Aufwand war. Große Freiheit waren dann ja effektiv auch schon 14 Songs, halt mit Skits dazwischen und Vermisse Dich war ja alt.

Warum war das eigentlich nach dem Wixxxtape und der Schwarz, Rot, Braun EP noch auf dem Album?
Auf der EP war ja Ferris mit drauf. Das wollte Warner dann aber nicht als Video, deshalb hab ich das nochmal Solo auf die Platte genommen.

Was ist eigentlich mit Buddy Ogün? Ihr habt ja mal viel miteinander gemacht.
Och nix, was soll da sein. Das war eine einmalige Sache. Buddy und ich sind alte Schulfreunde, aber wir machen ja komplett andere Dinge mittlerweile. Alles cool mit ihm.

Obwohl es bei dir ja auch oft witzig wird, wenn du über das deutsch-nationale Spießertum herziehst. Verstehen viele die Ironie hinter Deutschland, Schwarz Rot Braun oder jetzt Insel im Paradies und Gangster vom Asylheim nicht und interpretieren das falsch?
Erschreckend viele checken das nicht, ist echt unfassbar. Aber meine Texte sollen einen bewussten Minusintellektblocker haben. Ich wurde schon zweimal wegen Volksverhetzung verklagt wegen der Kacke. Bei Gangster vom Asylheim jetzt ging es durch klare Sätze wie „Die klauen uns unsere nicht vorhandenen Jobs und unsere Frauen“ eigentlich, aber bei Schwarz Rot Braun hat es bei vielen echt gedauert.
Mittlerweile werde ich eher immer viel bedroht im Netz: „Bla Blub“, „Mimimi“, sowas halt.

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Richtig passiert ist aber noch nichts? Handgreifliche Neonazis oder so?
Hmmmm (überlegt). In Augsburg ist es mal fast eskaliert. Ansonsten nur verbal. Bis jetzt sind unsere Konzerte verschont geblieben. Kommen aber auch immer viele randalebereite Linke.
Aber ey, lieber Musik machen, die aneckt als belanglose Scheiße wie Glasperlenspiel. Dikka, unsere Musik ist Randale. Wir werden nie viele Platten verkaufen, das ist viel zu unbequem. Live kommen die Leute, das ist wichtig.

Live ist wichtiger als Studio?
Klar, Live erkennt man die Champs. Guck dir mal die Ärzte live an oder Limp Bizkit und dann vergleich das mal mit Kollegah hehe. Live erkennst du die Champs, die echten MC’s, die Entertainer, sowas mag ich. Jemand, der auf die Bühne kommt und den Raum übernimmt.

Was hörst du denn, wenn du dir im Zug die Kopfhörer schnappst?
Im Moment bin ich wieder total auf System Of A Down hängengeblieben, Tom Waits, Hoist The Rag, Hildegard Knef: „Für Mich Solls Rote Rosen Regnen“. Und Ton Steine Scherben, die gehen natürlich immer bei mir.

Die werden ja auch gut und gerne von euch gecovert. Warum?
Ach das ist einfach ein Muss. Respekt an die großen Poeten. Außerdem sollen die jungen Generationen solche ältere Musik für sich wiederentdecken. Sonst geht sowas verloren. Keiner hat mich so beeinflusst wie Rio.

Wann hast du angefangen, sie zu hören?
Das lief bei uns, als ich klein war, Dikka. Meine Eltern waren linke Socken aus der Schanze hehe, normal.

Dann war aber zwischenzeitlich Rap interessanter?
Naja, ganz klar erst mit Eminem. Ich war in den USA als er durch die Decke ging, das hat mich einfach mitgerissen. Ich war da so geflasht, bis heute hat das keiner geschafft wie er. Die Fugees vielleicht.
Im deutschen Rap gab es sowas gar nicht, ich hab eher auf Deutsch probiert, das zu machen, was Eminem macht. Mongoklikke (Ferris MC & Das Bo, Anm. d. Verf.) fand ich cool, aber halt nicht so fanatisch. Trotzdem war das Feature mit Ferris jetzt krass. Der war ja auch schon immer etwas ganz besonderes vom Style her. Eigentlich voll amimäßig.

Apropos Features: Dag ist auf der neuen Platte.
Jo, der ist einfach ein richtig geiler Typ. Der Song ist letztendlich auch perfekt geworden. Für und beide.

Und Die Hofpianistin?
Tja, Dikka. Die ist der absolute Geheimtipp. Die schreibt Songs, die einem die Ohren umpusten, arbeitet im Buchladen, ist aber grandios. Der Song auf dem Album ist von ihr (aus ihrer Operette Honka, Anm. d. Verf.) und sie hat ihn uns zur Verfügung gestellt, weil Shocky und ich den im Original so dermaßen gefeiert haben.

Zum Schluss: Der Titel „Popfather of Rap“ ist ja nicht mehr so passend für dich. Neue Anwaärter?
Klar. Cro, Dikka und Marteria (lacht).

Schon negativ behaftet?
Ach, ist Geschmackssache. Meins ist es nicht, aber sind bestimmt ganz nette Typen, die Beiden.

Sonst kein Beef in Aussicht?
Nee, ach was. Mit dem Behörden und den Faschos, das reicht doch. Die anderen sind doch eigentlich auf unserer Seite. Ist alles gut.

Schlusswort:
Die Pisser sollen auf die Straße gehen. Das ist wichtig im Moment!

  1. […] Dennis Paulus 6. April 2016 […]

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